Puppentheater: Werner Perrey und das "Niederdeutsche Puppenspiel"

2019 gelang der Sammlung Puppentheater / Schaustellerei der Ankauf des über Jahrzehnte als verschollen geltenden Handpuppennachlasses des "Niederdeutschen Puppenspiels". Damit konnte der Bestand mit dem Sammlungsschwerpunkt "Künstlerisches Puppenspiel der 1920er und 1930er Jahre" um einen bedeutenden Fundus erweitert werden.

Werner Perrey (1896–1967) begann schon als Jugendlicher, sich für Puppentheater zu interessieren und spielte als Soldat im Ersten Weltkrieg im Schützengraben kurze Szenen aus dem Stegreif. 1919 begann er seine Spieltätigkeit, zunächst auf der Grundlage der "Althamburgischen Kasperszenen", die Johannes Emil Rabe zwischen 1915 und 1921 als Texthefte veröffentlichte. Ein parallel begonnenes Jura- und Volkswirtschaftsstudium schloss er nicht ab. Stattdessen machte er seine 1922 gegründete Handpuppenbühne zwischen 1925 und 1930 zum Lebensunterhalt. Das aus einem studentischen Umfeld hervorgegangene Unternehmen zählte zu den überregional bedeutenden künstlerischen Handpuppenbühnen der Weimarer Republik. Kennzeichnend für diese Bühne war eine äußerst ironisch-kritische Sicht auf Krisenphänomene politischer und gesellschaftlicher Art. Perrey und sein wichtigster Mitarbeiter ab 1925, der Journalist und Autor Heinrich Heise (1899–1944), benutzten sowohl in seinen Kinder- wie auch in seinen abendfüllenden Erwachsenenstücken Erscheinungen des Alltagslebens und hinterfragten diese auf dahinterliegende Dekadenzerscheinungen. In diesem Sinne prägte Perrey ein aktuelles Puppenspiel, dem ein kritisch-produktives Verhältnis zur Gegenwart eigen war.

In den 1930er Jahren widmeten sich die Spieler nur noch nebenberuflich dem Puppenspiel, wurden jedoch 1938 als von der NS-Gemeinschaft "Kraft durch Freude" empfohlene Bühne geführt und auch für die Wehrmachtsbetreuung im Krieg eingesetzt.

Werner Perrey hatte um 1930 eine Anstellung als Referent bei der Kieler Landesregierung inne und heiratete die Kunstgewerblerin Martha Wiedenbusch (1905–2006), die bereits vorher für die Bekleidung der Handpuppen und die mit farbigen Applikationen versehene textile Bespannung der Bühne gesorgt hatte. Zugleich betätigte er sich als freier Autor für den Rundfunk, verfasste Hörspiele, Funk-Kasperspiele sowie die mit dem Kieler Bühnenbildner Hans Hartwig vom Reichssender Hamburg übertragenen "Eheszenen mit Kasper und Marieken". Ab 1949 und bis zu seinem Tod am 27. Juni 1967 lebte er als freier Schriftsteller. Ein Teil des Bühnenfundus war am 22. Mai 1944 bei einem Luftangriff auf Kiel verbrannt, die über 30 erhaltene Handpuppen befinden sich seit 2019 in der Sammlung Puppentheater des Münchner Stadtmuseums.

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