
Konvolute der Sammlung Fotografie: Otto Steinert
Steinert trat 1936 in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) ein und war ab 1939 als Militärarzt unter anderem an der Westfront und im Russlandfeldzug tätig. Von 1943 bis 1945 war er als Referent im Generalstab des Heeres beschäftigt und forschte im letzten Kriegsjahr an der Berliner Universität zu Pharmazie. Seit seiner Jugend war Steinert an Fotografie interessiert und begann 1947 als Fotograf im Atelier Franz Altkirch in Saarbrücken zu arbeiten. Von 1948 bis 1959 leitete er die Fotoklasse der Schule für Kunst und Handwerk in Saarbrücken, ab 1952 war er Direktor der Schule.1949 bis 1952 war er Mitglied in der avantgardistischen Gruppe fotoform, die sich aus acht europäischen Fotografen mit gemeinsamem Interesse an abstrakter Fotografie zusammensetzte.
Sowohl mit fotoform als auch mit der Fotoklasse nahm Steinert an zahlreichen Fotoausstellungen in Westdeutschland sowie im überwiegend europäischen Ausland teil. Er initiierte die 1951 bis 1958 stattfindende dreiteilige Ausstellungsreihe „subjektive fotografie“, aus der 1952 und 1955 zwei Bildbände hervorgingen. In diesen legte er sein programmatisches Medienverständnis dar. Von 1959 bis 1978 lehrte er Fotografie an der Folkwangschule in Essen. Nachdem Steinert bereits in Saarbrücken die Ankäufe von Fotografien für das Saarlandmuseum unterstützt hatte, legte seine Sammeltätigkeit in Essen den Grundstein für die fotografische Sammlung des Museum Folkwang. Darüber hinaus veranstaltete er ab 1959 jährlich eine Fotoausstellung, die unter dem Reihentitel „Beiträge zur Geschichte der Photographie“ im Museum Folkwang gezeigt wurden.
Ab 1951 war Steinert Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh), in der er sich von 1954 bis 1976 Mitglied im erweiterten Vorstand engagierte. Ab 1957 war er zudem Mitglied der Gesellschaft Deutscher Lichtbildner (GDL), deren Vorsitz er von 1963 bis 1974 innehatte und die er 1976 wieder verließ. In den 1960er-Jahren erhielt Steinert erste Ehrungen, wie 1962 den Kulturpreis der DGPh und die Médaille Davanne der Société Francaise de Photographie und 1974 das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.
Fotohistorische Einordnung des Künstlers
Otto Steinerts fotografisches Werk lässt sich in verschiedene Phasen einteilen: die Fotografien als junger Amateur und Kriegsfotografien, seine Aneignung von und Auseinandersetzung mit experimentellen Techniken zwischen 1948 und 1959 und seine Porträtfotografie bis in die 1970er Jahre hinein. Anders als in seiner Zeit in Saarbrücken nahm er in Essen Aufträge an, was sich auch auf die Themen und Gestaltungsweise auswirkte. Bereits in den 1960ern ließ sich zudem eine Verschiebung weg von der eigenen fotografischen Arbeit hin zu pädagogischen Tätigkeiten sowie der Sammlungs- und Ausstellungsarbeit feststellen.
Hinsichtlich seiner Auseinandersetzung mit experimentellen Techniken bediente sich Steinert Montagetechniken und fertigte Solarisationen, Negativdrucke und Fotogramme an. Darüber hinaus stellte er kontrastreiche Abzüge her, wählte enge Ausschnitte und eine pointierte Lichtführung, beispielsweise bei seinen Porträts von Schauspieler*innen.
Bereits in den letzten Jahren in Saarbrücken deutet sich eine Hinwendung zum Gegenständlichen an. In Essen betätigte sich Steinert überwiegend im Porträt-, Industrie- und Werbebereich. Zu den bekanntesten Arbeiten zählt eine Porträtserie, die Steinert für den Stifterverband der Deutschen Wissenschaft 1961 fotografierte.
Angaben zum Konvolut
Das Konvolut von Otto Steinert umfasst 34 Fotografien, darunter zwei Reproduktionen, die in Ausstellungen eingesetzt wurden. Sämtliche der Fotografien wurden von dem ab 1966 in München wohnhaften Kunsthistoriker Josef Adolf Schmoll gen. Eisenwerth angekauft. Schmoll gen. Eisenwerth hatte ab 1948 einen Lehrauftrag an der Schule für Kunst und Handwerk, wo auch Otto Steinert tätig war. Gemeinsam reisten die beiden Männer mehrmals nach Paris und 1962 in die Vereinigten Staaten. Diese Nähe von Steinert zu Schmoll gen. Eisenwerth wird auch in den Fotografien deutlich, wenn es sich um Probeabzüge handelt oder sich auf den Rückseiten Hinweise zu gemeinsamen Reisen finden. Aufgrund ihrer Zeitgenossenschaft und Schmoll gen. Eisenwerths Tätigkeit als Kunsthistoriker mit Interesse an Fotografie fungierte er für Steinert nicht nur als Resonanzraum, sondern beeinflusste auch dessen Rezeption maßgeblich.
In der Fotobibliothek befinden sich zusätzlich Bildbände von Otto Steinert.
Sein Nachlass liegt im Museum Folkwang, Essen.
Fotohistorische Einordnung des hiesigen Bestandes
Der Großteil der Fotografien in der Sammlung Fotografie des Münchner Stadtmuseums entstammt Otto Steinerts Zeit in Saarbrücken zwischen 1947 und 1958. Motivisch greifen die Fotografien die dortige Industrielandschaft auf und spiegeln seine Reisen nach Paris wider, beispielsweise durch die Abbildungen des Seineufers . Dabei bediente sich Steinert abstrahierender Gestaltungsmittel durch sowohl experimentelle Verfahrenseingriffe, wie der Solarisation, als auch enger Detailausschnitte. Der enge Bezug zu den 1950er Jahren lässt sich auch in zwei Fotogrammen und fünf Fotografien feststellen, die als Bilder in „fotoform“-Ausstellungen gezeigt wurden. Darüber hinaus sind mit „Skizzen aus Paris 1“ oder „3“ auch Fotografien vorhanden, die Schmoll gen. Eisenwerth 1950 in seinem Aufsatz „Fotografisches Sehen und Gestalten“ in der Fotofachzeitschrift Fotoprisma besprach. Nur einzelne Arbeiten von Steinert in der Sammlung datieren auf die 1960er und 1970er Jahre, darunter ein Porträt von Lotte Jacobi von 1973.
Ausstellungsgeschichte des Bestands
Einzelne Arbeiten wurden in den Ausstellungen „Nude Visions. 150 Jahre Körperbilder in der Fotografie“, 2009, „Stilles Leben 1910–2008. Wenn die Dinge träumen. Stillleben aus der Sammlung Fotografie“ über den Jahreswechsel 2008/2009 und „IndustrieZEIT – Fotografien 1845–2010“ 2011 präsentiert.
Die Informationen für die berufsbezogene Biografie sowie die Angaben zur historischen Einordnung basieren auf Texten aus Eskildsen, Ute (Hg.), „Der Fotograf Otto Steinert“, Ausstellungskatalog Museum Folkwang Essen, Göttingen: Steidl 1999 und Ulrike Herrmann, „Otto Steinert und sein fotografisches Werk. Fotografie im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne, Kassel“: Kassel University Press 2001.











