"An dem Wiederaufblühen der Goldschmiedekunst, die noch vor kurzem lediglich in Stilnachahmung befangen war oder sich auf Architektur-Nachbildungen beschränkte, hat Ernst Riegel hervorragenden Anteil" urteilte der Kritiker der Zeitschrift "Deutsche Kunst und Dekoration" im Jahr 1907 (S. 47). Dennoch sind auch bei diesem Pokal wie bei vielen Riegelschen Werken Altmünchner Traditionen verarbeitet, was sich etwa in dem Nebeneinander verschiedener überlieferter Techniken, in den à jour gefassten Opalen am Fuß oder in der doppelwandigen Kuppa mit dem getriebenen und tauschierten Schmuck, zeigt. Die Form des Gefäßes erinnert an spätgotische Apfelpokale, wenn sie auch hier im Sinne des floralen Jugenstils zum Bäumchen mit Wurzelwerk und Krone umgedeutet sind. Ob das Motiv der bekrönten Vögel auf das Grimmsche Märchen "Die sieben Raben" anspielt, ist nicht sicher nachzuweisen.
[Ausst.-Kat. Die Meister des Münchner Jugendstils, hrsg. von Kathryn Bloom Hiesinger, München 1988, S. 105]
Münchner Stadtmuseum, Sammlung Angewandte Kunst