Der dreizehnflammige Kerzenleuchter zählt zu den schönsten Werken der angewandten Kunst der Zeit um 1900. Die Arme sind ähnlich einem planetarischen Modell schwenkbar und lassen sich paarweise um den Schaft drehen. So kann das raffinierte Gebilde die ausgreifende Form eines Lichterbaums annehmen. In seiner klaren Konstruktion und dem geometrischen Rillendekor steht der Leuchter aber auch für eine Abkehr von den floralen Tendenzen des Jugendstils mit seinen stilisierten Pflanzenformen.
Der Entwurf wurde von der Firma „K.M. Seifert & Co.“ in Dresden-Löbtau für die „Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk“ ausgeführt. In deren Publikationen ist der Leuchter immer wieder im Ensemble ganzer Interieurs abgebildet. Ein Exemplar stand im Arbeitszimmer der Villa Obrist auf dem Buchregal von Bernhard Pankok.
Der Leuchter ist ein Münchner Frühwerk von Bruno Paul (1874-1968), der sich schon 1898 den „Vereinigten Werkstätten“ angeschlossen hatte. Er stammte aus Seifhennersdorf in Sachsen und hatte die Kunstgewerbeschule in Dresden besucht. Seit 1894 studierte er in München Malerei bei Paul Höcker und Wilhelm von Diez. Neben graphischen Arbeiten und zahlreichen Karikaturen wurde Paul vor allem als Raumausstatter und Möbelentwerfer berühmt. Seit 1907 war er Direktor der Unterrichtsanstalt des Berliner Kunstgewerbemuseums, er blieb den Münchner „Vereinigten Werkstätten“ aber weiterhin verbunden.
[Ausst.-Kat. Typisch München! Das Jubiläumsbuch des Münchner Stadtmuseums, hrsg. von Wolfgang Till und Thomas Weidner, München 2008, S. 193]
Münchner Stadtmuseum, Sammlung Angewandte Kunst