Ignatius Taschner, Parzival, 1901
Foto: Münchner Stadtmuseum, Dorothee Jordens-Meintker
Titel / Kurzbeschreibung
Parzival
Datierung
1901
Objektart
Plastisches Bildwerk
Material
Bronze, teilweise vergoldet, Holz (Sockel)
Maße
38,5 cm
Signatur / Beschriftung
IGNATIUS TASCHNER (Plinthe), PARCIVAL (Sockel)
Ausgestellt
nein
Sammlung
Angewandte Kunst
Inventarnummer
K-70/177
Zugang
Ankauf 1970
Werktext
Parzival zu Pferd war in der deutschen bildenden Kunst der Jahrhundertwende und der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg ein beliebtes Bekenntnisthema, eine literaturhistorisch legitimierte Variante des mit dem Jugendstilaufbruch aktuell gewordenen Pferd-Reiter-Motivs. Sicher hatte Wagners Spätwerk wesentlich zur Verbreitung des Themas beigetragen. Allerdings musste nicht jede Konkretisierung des Stoffes über die Vermittlung des Wagnerschen Musikdramas erfolgen, zumal das Werk bis 1913 ausschließlich in Bayreuth aufgeführt werden durfte. Wagner hatte die Schreibweise des Wolfram von Eschenbachschen Versepos von Parzival in Parsifal umgewandelt. Der in Flachschnitzerei mit Szenen aus dem Epos (Parzival auf dem erbeuteten Pferd Kastillian und Turnierszene) ausgeführte hohe Holzsockel trägt auf der Stirnseite die Namensschreibweise "Parcival". Sicher ging Taschner bei seiner Gestaltung des Themas direkt von Wolframs Versepos aus, ohne die unmittelbare Umsetzung eines konkreten Handlungsmoments anzustreben. Dargestellt ist der Parzivalknabe nach seinem Aufbruch aus der Einöde Soltâne. Dabei nahm Taschner das narrative Element weitgehend zurück. Nur angedeutet ist im schellenumsäumten Lendenschurz des Knaben das Torengewand, in das ihn seine besorgte Mutter Herzeleide steckte, um ihn durch diesen lächerlichen Aufzug zur baldigen Heimkehr zu bringen. Historische Richtigkeit dürfte Taschner bei der Darstellung nicht in erster Linie bekümmert haben. Eventuell verband er assoziativ diese missverstandene Anspielung auf Parzivals Torengewand mit einer anderen Stelle des Epos, in der von "guldin schellen kleine" eines Ritterschmucks die Rede ist (III.122,3). Darüber hinaus hielt sich Taschner an die bei Wolfram mehrmals erwähnte große Schönheit des Knaben, die er in reizvollen Kontrast setzte zur Abgekämpftheit des müden Kleppers. Die künstlerische Wirkung der Reiterfigur ist aus dem Zusammenspiel klarster Silhouettenkonturierung und lebhafter Licht- und Schattenmodellierung entwickelt. Taschner verband das mittelalterliche Thema mit der Linienführung des Jugendstils und einer impressionistischen Oberflächengestaltung. Gerechterweise wurde sein "Parcival" zu einem seiner nicht nur künstlerisch größten Erfolge. Die Figur war offenbar zuerst in der Karlsruher Jubiläumsausstellung des Jahres 1902 zu sehen. Taschners Witwe berichtete über die Entstehung der Figur, sie sei im November 1901 in kürzester Zeit während einer schweren Krankheitsattacke entstanden: "in ein paar Stunden war der halbe Parzival fertig". Der Figur blieb auch die offizielle Anerkennung nicht versagt. Im Anschluss an die Münchner Glaspalastausstellung 1902 wurde der "Parcival" aus Mitteln einer Schenkung des Grafen Ernst von Moy für die Bayerischen Staatssammlungen angekauft.

[Ausst.-Kat. Ignatius Taschner. Ein Künstlerleben zwischen Jugendstil und Neoklassizismus, hrsg. von Norbert Götz und Ursel Berger, München 1992, S. 101]
Creditline
Münchner Stadtmuseum, Sammlung Angewandte Kunst
Zitiervorschlag / Permalink
Ignatius Taschner, Parzival, 1901, Bronze, teilweise vergoldet, Holz (Sockel), 38,5 cm, Münchner Stadtmuseum, Sammlung Angewandte Kunst
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