Tisch mit Quodlibet graphischer Blätter in Umdrucktechnik, München
Datierung
um 1825
Objektart
Tisch
Material
Mahagoni und Ahorn furniert auf Kiefer, schwarz gefärbtes Birnbaumholz (Säulen), Darstellung von Kupferstichen und Lithographien in Umdrucktechnik
Maße
78 cm
Ausgestellt
ja
Sammlung
Angewandte Kunst
Inventarnummer
M-83/9
Zugang
Ankauf
1983
Werktext
Aus der holländischen Stillebenmalerei ist das „Quodlibet“ bekannt, in dem allerlei Dinge, besonders täuschend echt gemalte Zettel und Kupferstiche scheinbar wahllos auf einem Tisch liegen. Bei genauerer Betrachtung ergibt das Durcheinander einen meist moralisierenden Zusammenhang, den zu entschlüsseln den Bildwitz ausmacht. Auf dem um 1824 in München gefertigten Tisch ist die alte Tradition solcher Augentäuschungen oder trompe l'oeils auf ein reales Möbel übertragen. Der kuriose Einfall bedient sich einer in England entwickelten Technik, die den Umdruck von Kupferstichen auf Oberflächen aus Holz ermöglicht hatte.
Auf der Tischplatte sind Szenen aus dem „Neuen München“ dargestellt. Die realen Schauplätze waren dem zeitgenössischen Betrachter vertraut. Im Zentrum sieht man den von dem Hofgärtner Friedrich Ludwig von Sckell neugestalteten Park von Schloß Nymphenburg. An die jüngste Ereignisgeschichte erinnert das szenische Blatt, das zum 25. Regierungsjubiläum des bayerischen Königs Maximilian I. Joseph am 16. Februar 1824 gedruckt wurde. Es zeigt Vertreter des Münchner Magistrats bei der Übergabe von Ehrengeschenken im Salon der Königin. Nicht zuletzt ist im Sinne einer Signatur die Geschäftskarte des Herstellers abgebildet.
Johann Georg Hiltl (1771-1845) war ein Münchner Tapezierer und Möbelfabrikant von überregionaler Bedeutung. In der Prannergasse baute er ein Großunternehmen auf, in dem über fünfzig Arbeiter beschäftigt waren. Das Magazin wurde als ein „Tempel der bayerischen Industrie“ bekannt. Hiltl verstieß regelmäßig gegen die Zunftordnungen, durch die ähnlich der heutigen Vergabepraxis handwerkliche Auftragserteilungen streng überwacht wurden. Steuerschulden trieben den Fabrikanten in den Bankrott. Nach einer Verhaftung wegen „staatsschädlicher Kontakte“ verlegte sich Hiltl ab 1818 auf die Herstellung der Quodlibet-Tische, von denen mehrere Exemplare bekannt sind. Mit passgenauen Deckplatten konnte die Bildfläche geschont werden, doch waren die Möbel wohl kaum für Verrichtungen des Alltags vorgesehen. Als ein extravagantes Schaustück bediente der Biedermeiertisch den Geschmack einer höfischen Kundschaft und hatte im bürgerlichen Haushalt keinen relevanten Gebrauchswert.
[Ausst.-Kat. Typisch München! Das Jubiläumsbuch des Münchner Stadtmuseums, hrsg. von Wolfgang Till und Thomas Weidner, München 2008, S. 101]
Creditline
Münchner Stadtmuseum, Sammlung Angewandte Kunst
Zitiervorschlag / Permalink
Johann Georg Hiltl, Tisch mit Quodlibet graphischer Blätter in Umdrucktechnik, München, um 1825, Mahagoni und Ahorn furniert auf Kiefer, schwarz gefärbtes Birnbaumholz (Säulen), Darstellung von Kupferstichen und Lithographien in Umdrucktechnik, 78 cm, Münchner Stadtmuseum, Sammlung Angewandte Kunst
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