C.R./No. 78 (auf der Rückwand, schwarz mit Pinsel)
Auffällig an der Konstruktion dieses Möbels sind die funktionalen Überlegungen, hinter denen Formtraditionen zurücktreten. So ist das Unterteil um zehn Zentimeter zurückversetzt, um den Knien Platz zu bieten. Die zwei rechten Schubladenfronten sind nur eine Blendgliederung auf der Flügeltüre eines durchgehenden Schrankfaches für Kontenbücher. Der Mechanismus der herausziehbaren Schreibplatte funktioniert separat von der nach oben schiebbaren Rolljalousie. In die Seiten sind ausziehbare Bretter eingelassen, die als Seitenablage dienen. Die Front des voluminösen Aufsatzes ist aufklappbar sowie herausziehbar und als Stehpult mit Schreibfach und zwei Schubladen nutzbar. Alle Kanten sind gerundet, damit man sich nicht stößt. Das untere Schreibfach hat in der Mitte ein verschließbares und seitlich offenes Fach mit darunter liegender Schublade. Die Griffknöpfchen tragen hier Perlmutteinlagen.
Die Bekrönungsleisten auf der Deckplatte sind abnehmbar, darunter sind die angelegten Zapflochreihen einer älteren Galerie zu sehen. Das doppelt gespiegelte und gestürzte Furnierbild der Front mit Pyramiden- und Fontänenstruktur läuft auch über der aus einzelnen Leisten gebildeten Rollade durch. Nur der Deckel des oberen Schreibfaches ist als gerahmtes Feld mit horizontalem Furnier gearbeitet. Die Schlüsselschilder sind gedrehte Holzscheiben.
Die Gliederung des Rollbüros stammt noch von spätklassizistischen Vorbildern. In den Details ist das klassizistische Formengut jedoch völlig zurückgedrängt, Funktionsüberlegungen wirken jetzt formprägend. Die mit Pinsel geschriebene Inventarnummer auf der Rückseite lässt eine Provenienz aus einem größeren Besitzstand vermuten.
[Hans Ottomeyer (Hg.), Eva Langenstein: Zopf- und Biedermeiermöbel. Katalog der Möbelsammlung des Münchner Stadtmuseums, München 1991, S. 118]
Münchner Stadtmuseum, Sammlung Angewandte Kunst