Titel / Kurzbeschreibung
dungu / ndungu (?) – Zweifellige lange Konustrommel mit N-Spannung
Datierung
vor 1966
Objektart
Membranophon
Material
Holz, Felle, Lederschnüre
Personen / Institutionen
Ausgestellt
nein
Sammlung
Musik
Inventarnummer
MUS-66-68
Provenienz
[...]

o.D.-Okt. 1966 Jeanne Walschot (1896-1977), Brüssel

ab Okt. 1966 Städtische Musiksammlung, München, Schenkung von Ludwig Bretschneider [Vgl. Inventarbuch]
Zugang
Schenkung 1966
Werktext
Angaben zu diesem sehr wertvollen Exemplar einer sehr großen zweifelligen Trommel von 3,20 m Länge sind nicht vorhanden. Dennoch ist es nicht schwierig, diesen Trommeltypus nachzudokumentieren, da er verschiedentlich in der Literatur belegt ist, und zwar aus einem relativ eng umgrenzten Gebiet, nämlich dem der Bakongo, einer ethnischen Gruppe des alten Königreiches Kongo am Unterlauf des Kongo und in Nord-Angola. Bei Olga Boone (1951, S. 36, Pl. XXXI + XXXII/1–15) wird diese Trommelart bei den Bakongo dokumentiert, wo sie in Matadi, einer großen Hafenstadt und Hauptstadt der Provinz Bas-Congo, dungu genannt wurde.
Das konisch sich verjüngende Korpus der Trommel ist aus sehr leichtem Holz hergestellt, an das vier Griffe angeschnitzt sind, von denen einer abgebrochen ist. Ihre lange Reihe bildet einen Zierstreifen in Art eines Frieses, wobei sie eigenartigerweise immer mit einem scheinbar funktionslosen „Viadukt“ voneinander getrennt sind.
Diese Gestalt verdanken sie auf keinen Fall nur ihrer Funktion. Vermutlich wurde mit dieser langen Griffserie eine Schlange dargestellt. Sicherlich war diese Trommel Teil von Initiationszeremonien eines Geheimbundes. Die Gestaltung der Schlange ist hier aber völlig abstrahiert.
Die beiden Trommelfelle sind dünn geschabt und erscheinen wenig stabil. Ihre Verspannung ist eine besondere Form der N-Spannung, die in keine der Kategorien Wieschhoffs eindeutig passt: Das Prinzip dieser Spannungsart liegt darin, dass zwei parallel laufende und miteinander verschlungene Lederschnüre eine Einheit und somit eine Art Netz um die Trommel unterhalb des jeweiligen Fells bilden. Dabei wird zunächst eine Schnur durch die Löcher im Fellrand gefädelt und gleichzeitig mitsamt dem Fell verdrillt, sodass man das Loch gar nicht mehr sieht. Hierdurch wird eine größere Festigkeit gegen dem Ausreißen des Fells erreicht. Durch die so gebildeten Schlaufen verläuft eine weitere Schnur rund um das Korpus. Beide Schnüre sind nicht straff gespannt, wodurch sich diese doppelte Zickzackform wie ein Netz unterhalb des Fellrandes darstellt, welches für die Trommeln dieses Typus charakteristisch ist.
Man könnte also analog zu anderen Trommeltypen von einem Fellring und einem Spannring sprechen. Beim kleineren Fell unten wird analog verfahren. Erst an dieser zweiten Schnur, dem Spannring, ist die über eine Strecke von jeweils zwei Metern verlaufende und deshalb notwendigerweise mit mehreren Knoten verlängerte Lederschnur befestigt, die in N-Form hin und her läuft und so die beiden Trommelmembranen verbindet. Ihre Anordnung erfolgt nicht in dichter Weise, sondern in breiten Abständen zueinander – auch dies ist ein auffälliger Unterschied zu den ostafrikanischen Trommeln. Bei einer Anzahl von acht Strängen ergibt sich eine Länge der Spannschnur von 25 Metern.
Auffallend ist die extreme Länge des Instruments, die sich wohl nicht allein aus musikalischen Gründen erklären lässt, sondern mit dem wahrscheinlich rituellen Kontext dieses Instruments in Zusammenhang gebracht werden muss. Sie schränkt auch die Möglichkeiten ein, mit denen das Instrument gespielt wurde. Mit einiger Sicherheit ist anzunehmen, dass nur das größere Fell angeschlagen wurde, und zwar mit den Händen. Der Musiker spielte die Trommel möglicherweise rittlings, wobei sie noch eine Stützunterlage gehabt haben könnte (s. Foto). Es ist gut möglich, dass die Trommel beim Spiel auch getragen wurde, vielleicht von mehreren Personen, worauf die Tragegriffe deuten. In Venezuela, beim Fest des heiligen Johannes, überlebt eine Trommeltradition von eindeutigem Kongo-Ursprung, bei der eine ähnliche lange Trommel auf einer Schulter getragen wird. Wie die Trommel heute gespielt wird, muss auch nicht unbedingt mit den Spielhaltungen identisch sein, die in der Vergangenheit angewendet wurden. Im Metropolitan Museum of Art New York findet sich unter der Inv.-Nr. 89.4.1449 eine etwas kleinere „ndungu“ von 2,6 Metern Länge, die von den Kondo und Yombe in Kongo stammt.
[Ausst.-Kat. Afrikanische Musikinstrumente, hrsg. Gerhard Kubik, Moya Aliya Malamusi, András Varsányi, Berlin 2014, S. 149 f.]
Creditline
Münchner Stadtmuseum, Sammlung Musik
Zitiervorschlag / Permalink
Bakongo, dungu / ndungu (?) – Zweifellige lange Konustrommel mit N-Spannung, vor 1966, Holz, Felle, Lederschnüre, Münchner Stadtmuseum, Sammlung Musik
https://sammlungonline.muenchner-stadtmuseum.de/objekt/dungu-ndungu-zweifellige-lange-konustrommel-mit-n-spannung-10019958